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Der Mann geht zielstrebig durch den Waggon auf das Abteil zu, in das sich Mutter
und Sohn setzen, sie sind eben eingestiegen. Er hatte sie schon ausgespäht, vielleicht schon beim Einfahren des Zuges. Nun kommt er durch den
Mittelgang, obwohl überall Platz ist im Wagen, alles frei, um sich zu ihnen zu setzen, auf die Bank
gegenüber. Er beugt sich vor und nimmt sofort Kontakt auf zu dem kleinen, agilen
Jungen. Der klettert auf das Sitzpolster hoch, neben die Mutter, wieder runter,
läuft ein paar Schritte in den Wagen hinein, kommt wieder zurück. Neugierig und lebhaft. Er hat große, dunkle Kirschenaugen und ganz kurzes, schwarzes Haar, einen richtigen Männerschnitt. Ist vielleicht fünf, vielleicht älter und körperlich nur klein. Wie die Mutter. Eine zierliche Frau. Sehr schlank
vermutlich, der Körper nicht zu ahnen unter dem weiten schwarzen Tschador. Jung vermutlich, auch
wenn Hände und Gesicht, bedeckt mit Handschuhen und verhüllt mit einem Niqap, nichts zeigen. Die Augen nicht zu erraten unter dem
doppelten Gesichtsschleier, dem dünnen schwarzen Voile, den sie über das dichte Kopftuch gebunden hat. Sie sitzt reglos da. Läßt den Buben laufen, klettern, spielen. Der Mann, ein dicklicher Mann mit
gierigen Augen und der unverhohlenen Sucht, die Aufmerksamkeit des Jungen auf
sich zu ziehen, spricht ihn an. Auf Deutsch. Keine Reaktion. Der Bub guckt
kurz, turnt weiter. Der Mann wechselt zu Englisch. Der Junge schaut ihn an,
aber antwortet nicht. Der Mann versucht es mit Französisch. Spricht auf ihn ein, harmlos freundliche Worte. Der Junge bleibt stumm.
Da ertönt aus dem schwarzen Schleier eine Stimme, voll Spannkraft. Klar und selbstbewußt. Sagt zu dem Kind: Pourquoi tu ne parles pas allemand avec ce monsieur, rollt
dunkel das r, Arabisch wohl die Muttersprache. Jetzt spricht sie Französisch, daß auch der Mann sie versteht. Mahnt den Jungen. Fordert Kontakt ein. Sie, die
ganz verhüllt ist, Muslima in aller Konsequenz. Abgeschlossen von uns. Niemand sonst ist
verschleiert in diesem Zug, war es bisher auf dieser Strecke. Mein Weg über Jahre. Jetzt werde ich sie öfters sehen bei meinen Fahrten in der Zukunft.
Zeitsprung. Bin lange nicht mehr hier umgestiegen. Bis gestern. Der Weg in umgekehrter Richtung. Stadtauswärts. Auf dem Bahnsteig gegenüber steht eine schwarze Gestalt. Wartet eine Frau in weitem Tschador, mit
Handschuhen, Niqap und Augenschleier. Neben ihr ein junger Mann. Er ist einen
Kopf größer als sie, die sehr zierlich ist. Die Frau. Das Kind. Es ist der Bub, denke ich. Pubertiert jetzt. Lebt immer noch hier. Mit ihr. Fremde Heimat München. Spricht Deutsch?
Textauszug augenblicklich momentan
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