der Ort Wechsel
täglich ein neuer Platz, ein anderer Raum, ein anderer Augenblick, ein anderes
Umfeld,
immer sachbezogen, immer öffentlich – Alltag in einem anderen Ausschnitt: Kaufhaus, Bahnhof,
Bankfiliale, Zeitungszentrale, Kulturzentrum, U-Bahn-Station und … sonntags Museum
das Material Sprache
das spontane Wort – 2 Frauen, 3 Mikrophone, 1 Tonanlage
das schriftliche Fragment – 150 Tafeln, Acryl, Reiterform, Querformat, Din A 4,
mit zwei Worten in 19 Textvarianten: 20 x ist Ich, 9 x ist ich, 4 x bin Ich, 3 x ein Ich, 7 x sind Ich,
16 x ist du, 12 x ist Du, 7 x bist du, 5 x ein Du, 1 x mein Du, 10 x sind du,
6 x ist er, 5 x sind er, 5 x und er, 9 x ist sie, 4 x sind sie, 4 x und sie, 10 x und Sie, 3 x ist es
die Tonaufzeichnung – Nachrichten vom Anrufbeantworter, 4 Audiocassetten
das Lesegut – Gedichte
die Zeit Dauer
7 Tage, 1 Tag pro Standort, jeweils über die gesamte, dort übliche Öffnungszeit
das Publikum Passanten
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Da sitzen zwei Frauen auf einer Bank, zum Beispiel in der Bahnhofshalle oder im
U-Bahn-Zwischengeschoß, und reden miteinander. Eine gewöhnliche Situation, wenn da der Ton nicht wäre, die lautsprecherverstärkten Stimmen der beiden, und wenn die Texttafel-Gruppierungen um sie herum
nicht wären. Es geht um die Personalpronomen, abgewandelt für die erste und zweite und dritte Person. Es geht um Bindewörter, die verbinden. Das Großgeschriebene überlassen sie dem Du, dem Ich und dem Sie. Ob sie Pause oder Raststätte für das vorbeiziehende Leben bieten, die Frauen und die Tafeln?
Sie reden über sich über Freunde über alles über Kinder und über Kindsein (…) Da sitzen zwei Frauen auf Stühlen, zum Beispiel in Schalterhallen oder in einer Galerie und reden
miteinander. Sie haben die Orte nicht nach ihrer Geschichte oder einem
topografischen Aspekt gewählt, sondern nach ihrer Belegung und nach den Bewegungen, die in ihnen
stattfinden. Die Vorbeiziehenden – das ist der andere Pol.
Auf einmal sitzen die zwei als Unterbrecherinnen da und reden. Selbst der
subversive Hang zur Theatralik greift nicht mehr. Sie ersinnen Variationen,
ohne dabei auf ein Konzept zurückzugreifen. Sie unterbrechen den Aktionismuswahn, der nach wie vor von jeder
Performance gefordert wird.
Und jedesmal, wenn ich hinkam, spürte ich, wie dieses Unterbrechen, dieses Nichtvorhandensein der Theatralik
radikal und behutsam zugleich auf die Vorbeiziehenden übersprang. Nichts war verhübscht. Jedesmal, wenn ich hin kam und zuhörte, spürte ich, wie das reden sich mit den Texttafel-Texten verband und wie es mich
ansprang: Ist ich mein Du. Aber auch darum geht es nicht. Es geht vielmehr um
die Herstellung eines neuen sensorischen Glücks – mit mir bist du ist er.
Samuel Rachl
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Zwischen dem 26. September 1994 und dem 23. August 1996 entstand eine Serie kurzer Gedichte:
2 Jahre Innenhaut: Vierzeiler – ohne Titel, 32 Variationen in 12 Sektionen und 1 Nachruf.
Und daraus erwuchs die Idee einer kommunikativen Aktion im öffentlichen Raum.
2007 nehmen sich die Choreographen Katja Wachter und Helmut Ott Vierzeiler und
Schilderserie
ist ich ist Du zum Ausgangspunkt „einer dicht(erisch)en Performance zwischen Tanz und Wort“
für 5 TänzerInnen und 1 Sprecherin – ein abendfüllendes Tanzstück, das im Bosco Gauting und
2008 im Schwere Reiter München aufgeführt wird.
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Fotos Alma Larsen
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